Über die Videos des talentierten Aidan Gallagher, der das Leben und seine schöne Absurdität zelebriert wie kein zweiter, bin ich über Albert Camus und die Philosophie des Absurden gestolpert. Camus ist der Meinung, dass es keinen absoluten, übergeordneten Sinn des Lebens gibt und darin die Absurdität liegt. Die menschliche Existenz ist unerklärbar und macht objektiv gesehen keinen Sinn und doch sucht ein jeder von uns immer wieder nach den ganz großen und einzig wahren Antworten. Wir erhalten allerdings keine Antworten auf unsere Fragen, weil es auch keine gibt und dies kann oftmals deprimierend sein. Für Camus ist diese ehrliche Auseinandersetzung mit der Realität allerdings nichts Negatives, sondern völlig berechtigt und der richtige Weg zur Akzeptanz der Absurdität – also der Anerkennung der Sinnlosigkeit. Religionen und Ideologien, in denen viele Menschen einen tieferen Sinn für sich entdecken, sind für Camus künstlich konstruiert und daher nur eine Flucht aus der Realität. Sie umgehen das Absurde, anstatt sich ihm zu stellen, was einem philosophischen Selbstmord gleicht. Camus beschreibt den Moment, in dem sich das Absurde offenbart, so:
Das Absurde kann jeden beliebigen Menschen an jeder beliebigen Straßenecke anspringen. Es ist in seiner trostlosen Nacktheit, in seinem glanzlosen Licht schwer zu fassen. […] Manchmal stürzen die Kulissen ein. Aufstehen, Straßenbahn, vier Stunden Büro oder Fabrik, Essen, Straßenbahn, vier Stunden Arbeit, Essen, Schlafen, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, immer derselbe Rhythmus – das ist meist ein bequemer Weg. Eines Tages aber erhebt sich das »Warum«, und mit diesem Überdruss, in den sich Erstaunen mischt, fängt alles an. »Fängt an« – das ist wichtig.
Albert Camus: Der Mythos des Sisyphus
Im Gegensatz zum Existentialismus und auch zum Nihilismus gibt es bei der Philosophie des Absurden den wichtigen Punkt der Revolte, mit der sie sich deutlich von den beiden anderen philosophischen Strömungen unterscheidet. Jean-Paul Sartre erkennt im Existentialismus ebenfalls das Fehlen eines Sinns an, ist aber der Meinung dass man selbst einen Sinn erschaffen kann. Camus lehnt hingegen die Idee ab, dass man einen tieferen, objektiven Sinn erschaffen kann. Stattdessen fordert er, das Leben in seiner Absurdität bewusst und ohne Illusionen anzunehmen. Nachdem man also die Absurdität anerkannt hat, folgt laut ihm die permanente Revolte. Da es keinen Ausweg aus der Absurdität gibt, heißt es die Gegenwart zu akzeptieren und ihr das positive und schöne abzugewinnen. Das einzige was existiert ist das jetzt und der aktuelle Moment und der soll selbstbestimmt und selbstbewusst gelebt werden. Denn gerade weil es keinen höheren Sinn gibt, kann der Mensch sein Leben umso bewusster und freier gestalten.
Diese Philosophie des Absurden trifft den Zeitgeist so unfassbar gut, weil sie den Druck nimmt, unbedingt den Sinn des Lebens oder eine große Berufung finden zu müssen – oder tausend Dinge zu tun, um mit sich selbst im Reinen zu sein oder der Gesellschaft zu genügen. Aidan Gallagher ist das beste Beispiel dafür. Wie er in einem Interview erwähnt, befand er sich in einer schwierigen Phase voller Selbstzweifel – bis er über den Absurdismus stolperte, der ihm eine völlig neue Perspektive und Leichtigkeit verlieh. Im Moment leben und das Leben und seine schöne Absurdität zelebrieren, scheint mir eine wunderbare Lebensphilosophie zu sein. Chapeau und Danke – Literaturnobelpreisträger Albert Camus & Aidan Gallagher.